Weihnachtszauber - passend zum Autoren-Adventskalender 2024! :) Ich wünsche von Herzen viel Spass beim Lesen!
»Mama, Mama, es schneit!«, ruft die kleine Nele und drückt sich die Nase am Fenster platt.
Ich blicke von meinem Buch auf und werfe einen Blick nach draussen. Nur als Schemen sehe ich die dicken Flocken fallen. Es ist schon dunkel, und das Licht in unserer Stube tut sein Übriges, dass der Blick in den Schnee nur über plattgedrückte Nasen führt. Oder über einen Spaziergang.
Ich schaudere. Keine sieben Pferde bringen mich heute aus der Wärme. Den ganzen Tag schon hatte ich an der frischen Luft verbracht. Mit Papa holte ich den Weihnachtsbaum, mit Mama schmückte ich die Einfahrt, und schliesslich band ich noch die Büsche zusammen, damit der Schnee die Zweige nicht brechen würde.
Mama gluckst vergnügt und tritt zu meiner vierjährigen Cousine ans Fenster. »Wow, wie schön! Findest du nicht auch, Tania?«
Ich rolle mit den Augen, aber nur so, dass Mama es nicht sehen kann. Für sie geht nichts über den Zauber von Weihnachten. Winter, Weihnachten, Schneegestöber – dafür lebt sie, seit ich denken kann.
Meinem Widerstand zum Trotz stehe ich auf und geselle mich zu den beiden. Offenbar ist das der Startschuss für alle. Papa und Onkel Herbert folgen unserem Beispiel, und auch Tante Katja und mein viel zu gross und dünn geratener Bruder mitten im Wachstumsschub schliessen sich uns an.
Eine Weile sehen wir nur ins Dunkel hinaus und bewundern das Tanzen der Schneeflocken. Jemand löscht das Licht, sodass nur noch die Kerzen brennen. Augenblicklich sehen wir mehr vom Schnee.
Auf dem Rasen hinter dem Haus hat sich bereits eine dünne Decke gebildet, sodass nur noch einzelne Halme aus dem Schnee ragen.
Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Wie schön. Ich kann mich nicht erinnern, wann es in den letzten Jahren so pünktlich svchneite.
»Ein Traum«, haucht meine Mutter.
»Wir sollten einen Schneemann bauen«, schlägt mein Bruder vor.
Verwirrt mustere ich ihn von der Seite. Er pubertiert. Er sollte sowas eigentlich nicht mehr machen wollen. Zumindest nicht mit seiner Familie.
»Oder eine Schneeballschlacht!«, ruft Nele. Schneller als der Wind rennt sie in den Flur, zieht ihre Schuhe an und verschwindet nach draussen.
Katja hastet ihr hinterher. »Nele, deine Jacke!« Doch das Mädchen kommt nicht zurück. Notgedrungen zieht sich Katja Jacke und Schuhe an und geht nach draussen.
Herbert folgt ihr, Mama und Papa auch. Fassungslos starre ich auf die offene Haustür. Räuspere mich.
Mein Bruder kommt mir zuvor. »Die erwarten, dass wir auch nach draussen gehen.«
Ich nickte. »Vermutlich. Aber du wirst dich doch nicht dazu überreden lassen?«
Er zuckt mit den Schultern. »Es klingt spassig.«
»Spassig?« Nun starre ich ihn an. »Bist du nicht inzwischen zu cool dafür?«
»Für eine Schneeballschlacht ist man doch nie zu cool.« Grinsend setzt er sich in Bewegung, zieht sich warm an und verschwindet im Schnee.
Ich seufze. Ich will nicht nach draussen. Aber ich will auch nicht allein zurückbleiben und den ganzen Spass verpassen. »Wartet!«, rufe ich.
Kaum bin ich draussen, winkt mir Mama mit einem Schneeball in der Hand zu. Im nächsten Augenblick macht er sich auf den Weg zu Papa, der ihm lachend ausweicht und dabei wirft. Er zielt so weit daneben, dass ich gar nicht sagen kann, wen er treffen wollte.
Ich lache, als ich das wilde Durcheinander sehe, und lehne mich etwas abseits an die Hausmauer. Ich will nicht mitmachen. Kalte Hände, Schnee im Kragen … Bäh!
Ein Schneeball trifft mich.
Mitten auf die Wange.
Ich erstarre. Herbert lacht.
Eisig bröckelt der Schnee von meiner Wange, schmilzt und kriecht zwischen Kragen und Hals.
Grinsend holt Katja aus und visiert mich an.
Ich ducke mich, renne auf sie zu und fasse unterwegs Schnee. Noch bevor ich einen schönen Ball geformt habe, werfe ich ihn in ihre Richtung und treffe sie am Bauch. Lachend jauchze ich, strecke die Faust triumphierend in die Luft.
Im nächsten Moment werde ich wieder getroffen. Ich kreische, obwohl Papa nur meine Jacke getroffen hat, und attackiere nun ihn.
Gefangen in der Schlacht, die wir uns liefern, ducke ich mich, renne, weiche aus, bremse ab und forme einen Schneeball nach dem anderen. Bald tanzen weisse Wölkchen vor meinem Mund.
Mittendrin begegne ich Mamas glücklichem Blick. Er strahlt eine Ruhe und Freude aus, die ich bei ihr so selten sehe. Übermut. Verliert man den als Erwachsene?
Langsam schüttle ich den Kopf und beobachte sie. Ich will meinen Übermut nicht verlieren, auch wenn er uncool ist. Mama ist in diesem Moment einfach nur glücklich. Freut sich, dass wir alle hier sind und diesen Abend gemeinsam geniessen.
Den Zauber von Weihnachten. Dieses Mal verzaubert er auch mich.
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