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Gastbeitrag: Das Phosphorkind

Heute gibt es wieder einen Gastbeitrag von Ursula Grütters, der Teil des diesjährigen Autoren-Adventskalenders ist. Hier findet ihr sie auf Facebook. ihr könnt auch per E-Mail mit ihr Kontakt aufnehmen.

 

Viel Spass mit diesem tollen Märchen, das vielleicht gar keines ist.


Prolog

© 2012 by Ursula Grütters

 

Das alte Mädchen mit dem Namen Kleine Bärin war eine sehr alte Seele. Auch wenn es schon viele Jahre in diesem einen Erdenleben verbracht hatte, so hatte das Alter der Seelen dennoch nichts mit den momentan auf der Erde gelebten Jahren zu tun.

Es beinhaltete alle zuvor dagewesenen Reinkarnationen auf diesem Planeten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse. Die vielen Gefühlsturbulenzen der Erdenbewohner resultierten aus all ihren jemals gemachten Erfahrungen im Menschengewand. Die alten Seelen hatten begriffen, worum es im Leben wirklich ging. Sie sehnten sich nach der reinen, bedingungslosen Liebe.

 

 

Wege ins Licht

© 2012 by Ursula Grütters

 

Kleine Bärin lag unter einem Mammutbaum und dachte nach: Ihr Leben war ein sich ständig drehender Wirbelwind. Kaum hatte sie sich gefragt, wo sie gerade in ihrem Leben stand, trug der Windsog sie schon wieder weiter. Weil sie der Lebenssturm manchmal zu überfordern schien, wünschte sie sich eine bewusstere Verbindung zu ihrer geistigen Welt. 

Damit sie ihre Gefühle besser sortieren und einen Richtungszeiger für ihren weiteren Lebenslauf empfangen konnte, beschloss sie, sich auf den Weg zu machen, um ihre Freundin die Schamanin aufzusuchen.

Diese war eine sehr liebevolle Frau. Ihre gewellten Haare wirkten wie ein kunstvoller Rahmen um das herzliche Gesicht. Jedes Mal, wenn Kleine Bärin sie traf, lachten sie erfrischend miteinander.

Wie zu erwarten, grüßten die beiden einander innig und albern. Nach einem kurzen Austausch kam Kleine Bärin auf ihr Anliegen zu sprechen: „Liebe Freundin, meine Gefühle wirbeln derart heftig durcheinander, dass ich nicht mehr weiß, wie ich den Zugang zu meinem höheren Selbst wiederfinden kann? Zu viele Fremdeinflüsse blockieren mein eigenes Ich!“

Die Schamanin hieß Perle und war eine Heilerin. Sie stand mit beiden Füßen in ihrem Leben, war vollkommen eins mit sich. Sie schöpfte unendlich viel Kraft aus der Quelle ihres Himmelsvaters. Die Energie strömte derart reichlich für sie, dass noch genug davon übrigblieb, um auch andere Erdenbewohner auf ihre Lebenswege zu bringen. Die Heilerin war eine Vermittlerin zwischen der hiesigen und der geistigen Welt. Allein durch das Auflegen ihrer Hände ließ sie die Botschaften der Engel durch sich fließen. Mit der notwendigen Sensibilität wären viele Menschen dazu befähigt gewesen, die Zeichen und Stimmen aus dem Jenseits zu verstehen. Doch die meisten von ihnen hatten einfach verlernt, auf die wundersamen Dinge in ihrem Leben zu achten. All dem, was nicht zu sehen, zu hören und anzufassen war, wurde keinerlei Beachtung geschenkt. Sogar die eigene Intuition wurde vergessen. 

Sie übergingen die Eingebungen, obwohl diese Verbindungen zu ihrem selbst gesammelten, geistigen Wissen waren. Außerdem hatten die Menschen Angst. Sie fürchteten sich vor der Konfrontation mit dem Jenseits. Dabei war ihnen überhaupt nicht bewusst, wie gerne ihre Ahnen sich ihnen mitteilen würden. Es stimmte einfach nicht, dass diejenigen die ihren physischen Körper verlassen hatten, ihre Ruhe haben wollten. Im Gegenteil, sie wollten geliebt, geschätzt, geachtet und richtig verstanden werden. Unerledigtes, in der materiellen Welt nicht Aufgearbeitetes, konnte sie genauso in der geistigen Sphäre wie in Menschengestalt quälen. Jenen Geschöpfen, welche in Liebe das Erdenleben verlassen hatten, war es wichtig, in ausnehmender Friedsamkeit existieren zu können. 

Kleine Bärin war auf die Stimmen der Ahnen sehr neugierig. Sie wollte wissen, was die Vorfahren zu sagen hatten. Schließlich wusste sie, dass ihre jetzige Reinkarnation ein Sammelsurium aller gelebten Leben war. Alle Geistwesen gehörten zusammen, egal, ob sie sich gerade in einem Körper befanden, oder immateriell existierten. Sie waren Teil eines Gesamtbildes, dessen Formen und Farben mit den dazugewonnenen Erkenntnissen immer harmonischer wurden. 

Das alte Mädchen Kleine Bärin erhoffte sowohl einige Hinweise über sich als auch Erklärungen aus der spirituellen Welt. Sie ersehnte innigst die begehrte Hilfe zu bekommen. Die Heilerin besaß Hände, welche beinahe glasig wirkten. Man konnte die sensiblen Nervenbahnen mit bloßen Augen erkennen. Allein mit dem Auflegen der Hände war es Perle möglich, die im Licht Stehenden zu erkennen und mit ihnen zu kommunizieren. 

Kleine Bärin wusste, dass der Körper ein Werkzeug der Seele und des Geistes war. 

Die Suchende wollte ausgiebig die tiefer liegenden Zusammenhänge erkennen. Es verlangte ihr danach, sich ihrer geistigen Herkunft bewusster zu werden! Durch ihre schüchterne Art galt sie in ihrem Volk als die stille Beobachterin. 

Manchmal fürchteten die Menschen sich sogar vor dem alten Mädchen. Sie verstanden seine Umgangsweisen nicht, denn es mied weder die Ausgestoßenen, noch die Belächelten unter ihnen. Zudem sah sein Haupt wie ein brennender Busch aus. Seine langen, wirren Haare leuchteten in einem Rot, welches Feuerzungen glich.

 

Perle und Kleine Bärin kannten einander aus früheren Zeiten. Damals, als sie noch nicht in einem jeweils eigenen Familienverband gelebt hatten, waren sie unzertrennliche Freunde gewesen. Ihre Freundschaft war stets eine behutsame, gegenseitige Betrachtung mit einem tiefen Blick in ihre Seelen. 

Während seines vorherigen Erdendaseins hatte das alte Mädchen immer mit mehreren Menschen in derselben Hütte aus Holz gelebt. Nun hatte es ein Leben als Eremitin gewählt und zog alleine von einem Ort zum anderen. Perle verbrachte ihr jetziges Leben in einem Nomadendorf. Trotz der langen Zeit, in der sich die Beiden nicht gesehen hatten, war das Band der Liebe nie getrennt worden. Gerade deshalb konnte Kleine Bärin erneut ein unerschütterliches Vertrauen zur Geistheilerin aufbringen. Infolgedessen war auch die Stammesfrau ihrerseits gewillt, ihre Hände der um Hilfe bittenden aufzulegen, ohne Angst haben zu müssen, für verrückt erklärt zu werden. Sie bot ihrer Seelenverwandten an, sich hinzulegen: „Mach es dir auf meinem Lager gemütlich. Leg dich so hin, wie es dir gut tut. Damit du dich richtig wohl fühlen kannst, decke ich dich zu. Nun, wie ist jetzt dein Befinden?“ Kleine Bärin stieß einen langen, wohligen Seufzer aus und ging auf die Frage ein: „Ach, ich fühle mich sehr wohl, ich danke dir!!

Die Schamanin stellte sich aufrecht hin, hielt ihre Arme ausgestreckt über den Kopf und legte Handinnenfläche an Handinnenfläche. Zum Himmel gerichtet bat sie den Schöpfer um seine Mithilfe. Ihr war bewusst, dass sie es nicht allein war, die den Menschen half, sondern dass sie aus der Energiequelle des Himmelsvaters schöpfen durfte. Daher war es selbstverständlich für sie, um die notwendige Hilfe zu ersuchen. 

Nach einer kurzen Anbetung drehte sie sich zu der Erwartungsvollen und legte ihre Hände auf deren Bauch. Sie spürte dabei eine gewaltige Hitze in den Handflächen aufsteigen, so dass es ihr vorkam, sie hätte ein Feuer entfacht. Die Liegende hatte ihrerseits große Probleme mit der Atmung. Beinahe panisch glaubte sie, ersticken zu müssen. Sie ängstigte sich, bekam keine Luft, obwohl der Mund sperrangelweit auf war. Zwischen den Zelten hielten sich einige Stammesmitglieder auf, die in Lied anstimmten. Trotzdem sie sehr laut sangen, wurde diese Musik noch durch ein Summen in den Ohren von Kleine Bärin heftig übertönt. Es schien, als wollten mehrere Stimmen ihr gleichzeitig etwas zurufen. Sie wusste nicht damit umzugehen, denn die Schamanin sprach kein Wort. Nachdem die Heilerin ihre Hände von der Verwirrten gelöst hatte, drehte sie sich wortlos um, ging zu einer Wasserstelle, badete ihre Hände in dem kalten Nass und entließ Kleine Bärin, ohne weiter auf die Geschehnisse einzugehen. 

Das alles war sehr befremdend für die Enttäuschte, dennoch fasste sie erneut Vertrauen zu der Freundin und machte sich am nächsten Tag auf den Weg zu ihr. Perle begrüßte sie sogleich mit einem Geständnis: „Ich verrate dir etwas über unser erstes Zusammenkommen. Da habe ich deinen Großvater ganz kurz über deinem Kopf gesehen. Sowie er sich mir gezeigt hate, löste sich sein Erscheinungsbild wieder auf. Ich habe dir absichtlich nichts davon erzählt, denn ich war mir nicht sicher, wie du damit umgehen würdest und ob du es mir glauben kannst…

 

Mystik

© 2012 by Ursula Grütters

 

Die neue Rasse Mensch ging anfänglich noch betont liebevoll miteinander um. Allein die vom

Schöpfergeist gesandte Lichtnahrung der Liebe genügte ihnen, um sich zu nähren. Selbst die

Verständigungen verliefen ohne Worte auf telepathischer Ebene. Mit der Zeit vergaßen sie, sich dem Licht des Himmelsvaters zuzuwenden. Das besitzergreifende Denken nahm sie immer mehr in ihren Bann, ließ die fassbaren Güter stetig wichtiger werden. Dem Materiellen wurde mehr Gewicht beigemessen, als es ihnen gutgetan hätte. Umso gieriger die Bewohner wurden, desto intensiver stieg der Neid in ihren Gemütern auf. Sie wollten fortwährend mehr und merkten gar nicht, wie sie sich gegenseitig schadeten. Mit dem raffgierigen Verhalten erzeugten sie Hass und Gewalt, verloren den Bezug zur Telepathie und mussten eine Sprache entwickeln, die sich zunächst durch mühsam hervor gepresste Laute äußerte. 

 

Da das Greifbare immer wichtiger wurde, gewöhnten sich ihre Körper um. Nun benötigten sie auch eine Verköstigung. Bevor die Individuen sich wechselseitig die inzwischen notwendige Nahrung gaben, schmiedeten sie lieber Waffen, die sie gegeneinander erheben konnten. Statt der Muttererde ihre Gastfreundschaft zu danken, entfernten sich die Geistwesen in Menschengestalt beharrlich immer weiter von ihrem ursprünglichen Naturell. Das helle Licht ihres höchsten Vaters, durch welches sie einst mit viel Liebe getragen worden waren, sahen sie längst nicht mehr. 

 

Im Laufe der vielen Wiedergeburten jedoch entwickelten immer mehr von ihnen ein sensibleres Gefühl füreinander. Sie besannen sich wieder eines liebvolleren Umgangs und eines offenen Gefühls für den Schöpfer, der Natur und Ihresgleichen. Die Waffen wurden niedergelegt und der Frieden kehrte ein. Auf den Feldern reiften genügend Früchte, so dass es für alle reichlich zu essen gab. Die Bürger liebten und vermehrten sich, wodurch es nicht lange dauerte, bis ihre Lebensmittel knapp wurden. Der Wunsch, viele Nahrungsmittel auf schnellerem Weg wachsen zu lassen, ließ sie erneut gierig werden. Dabei war es ihnen egal, ob das Genießbare natürlich gedeihen konnte, oder es manipuliert wurde. Sie bedienten sich schädlicher Hilfsmittel, denn allein der Ertrag zählte! Krankheiten überrollten und Traurigkeit überfiel sie. Die Frage nach dem Warum stellte sich ein. 

 

Es bedurfte etlicher Erdenleben, ehe sie anfingen, über ihr Dasein nachzudenken. Umso öfter die Völker den Planeten Erde bewohnten, erkannten fortwährend mehr verschiedener Stämme, dass diese Möglichkeiten des Miteinanders nicht zum Seelenwohl führen konnten. Sie wollten wieder naturverbundener leben und sich dem Schöpfergeist zuwenden.

 

Ebenso auch Kleine Bärin. Sie war schon derart oft auf diesen Globus gekommen, dass sie

hinreichend erkannt hatte, dass allein in der Liebe ihr Dasein begründet lag. Sie wünschte sich für alle Geschöpfe die bedingungslose Liebe. Materielles war ihr schon längst nicht mehr so wichtig. Allein das Seelenheil Aller galt es für sie zu wahren. Durch die Abwendung von den materiellen Gütern hin zu den Zusammenhängen der lichten, geistigen Welt wurden jene Menschen, die das erkannt hatten, immer transparenter. Sie konnten sogar jene Geistwesen sehen und hören, welche sich nicht gerade für die Erdenerfahrungen eines Körpers bedienten.

 

In der Hoffnung, schon bald nur mehr Frieden und Liebe erleben zu dürfen, eilte sie zu ihrer

Freundin. Auszuhalten, was nicht in Harmonie war, fiel ihr sehr schwer.  Sie erstrebte, sich von allen unguten Geschehnissen freizuschütteln. Auf Hilfe von denen hoffend, die in der geistigen Welt waren, ließ sie der Heilerin neuerlich beim Auflegen der Hände freien Lauf…

 

Sprechende Ruder

© 2012 by Ursula Grütters

 

Es dauerte nicht lange, bis die Muttererde erneut Kleine Bärin kitzelte. Sie ermunterte das alte Mädchen zum abermaligen Aufbrechen, denn es sollte weiter nach dem Verborgenen suchen.

Dieses reagierte auf die Aufforderung, indem es sich zunächst mit bloßen Füßen fest erdete.

Hierdurch konnte es die Verbindung zu dem Boden intensivieren. Die Beauftragte spürte, wie ihre

Glieder sich bewegten. Obwohl sie nicht wusste, wohin der Weg sie führen würde, ließ sie es zu,

von ihrer Intuition geführt zu werden. Sie setzte Schritt für Schritt einen Fuß vor dem anderen.

Ihre Augen zusammenkneifend spürte sie eine kühle Brise. Alsdann sie diese endlich öffnete, stand

sie vor einem Wald. Sich am Wegesrand hinsetzend überlegte sie. Es war ihr klar: Es ging lediglich

um die Entwicklung in der Lebensschule. Die höheren Erkenntnisstufen waren nur über die

Vergebung und grenzenlose Liebe zu erreichen.

Umso vertrauensvoller sich die Menschen dem höchst Liebenden zuwandten, desto weniger Angst

begleitete sie bei ihrem Tun. Die durch das Licht zu vielen Erkenntnissen Gelangte war bereit. Sie

begab sich auf eine lange Reise, wanderte etliche Tage, ehe sie an das Meer gelangte. Das Ufer versprach eine nett zu verweilende Zeit. Sie setzte sich an die Küste und blickte über die glitzernd wallende Wasseroberfläche. Sowie sie vor sich hinträumte, trieb ein leeres Boot an den Strand.

 

Zwei Ruder schienen ihr zuzuwinken und zu rufen: „Kleine Bärin, komm zu uns herüber!“

Voller Erstaunen tat Kleine Bärin wie ihr geheißen. Sie setzte sich hinein, nahm die Paddel und ruderte hinaus auf das offene Meer. Die frische Luft und der Duft des salzigen Wassers taten ihr gut. Sie genoss ihr Dasein in vollen Zügen. Als weit und breit kein Land mehr in Sicht war, setzte ein starker Wind ein. Die Kämpferin ruderte so wild gegen den Sturm an, dass es zunächst nicht merkte, wie der Kahn gleich einem Sog behutsam aus dem Wasser gehoben und völlig schwerelos weitergetragen wurde. Der Wirbelwind flötete Kleine Bärin ins Ohr: „Du brauchst dich nicht zu mühen, dein Boot schwebt von allein, es ist nicht nötig, dass du dich dermaßen anstrengst. Leg die Ruder beiseite und lass dich treiben, es geschieht alles zu deinem Besten. Du bist unser Phosphorkind!

„Du strahlst, als seiest du soeben erst vom Feuer der Liebe entfacht worden. Du hast eine Kraft

in dir, die nach der Vollkommenheit strebt. Fühl dich herzlich Willkommen in unserer leuchtenden

Welt!“

 

Das alte Mädchen hatte eine Vision: Menschen standen an einer Waldlichtung. Engumschlungen wurden ihre Wunden durch das Licht der Liebe heilgewaschen. Immer mehr Menschen vertrauten sich der Sammlung an und fanden ihr Seelenheil in der engen Umarmung. Es dauerte nicht lange und es stand ein großer Pulk von Liebenden eng beieinander, welcher sich die tiefste, nichts voneinander erwartende Zuneigung schenkte. Die Individuen wurden alle durch die Kraft der Gedanken in den Kreis der Liebe gestellt. Selbst jene, welche durch die irregeleiteten Gedanken nicht den Weg dorthin gefunden hatten, wurden durch die wunderbaren Schwingungen hinein geholt. Das Reich, so wie der Himmelsvater es einst gepriesen hatte, war gekommen, im Himmel sowie auf Erden!

 

 

Mit diesem Gedanken wünsche ich all meinen Lesern und Leserinnen einen besinnlichen 

Advent und friedensreiche Weihnachtszeit.

 

Herzlichst Ihre

 

Ursula Grütters 


Dies ist ein Beitrag, der im Autoren-Adventskalender 2023 erscheint. Dort gibt es weitere Geschichten, Gedichte und andere Beiträge rund um Weihnachten und Ostern.

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