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Gastbeitrag: Weihnachten mal anders

Auch heute gibt es einen Gastbeitrag im Rahmen des Autoren-Adventskalenders 2024. Ich freue mich sehr, euch die Kurzgeschichte von Julie Hofmann präsentieren zu dürfen!

 

Weißt du, welcher Feiertag im Jahr mein absoluter Endgegner ist? 

Der 24. Dezember. Diese ganze Schenkerei und Lobhudelei gehen mir so dermaßen auf den Zeiger, das kann man sich als Weihnachtsliebhaber gar nicht vorstellen. Und das bin ich definitiv nicht. Ich bin ein Weihnachtshasser. Man trifft sich einmal im Jahr, schenkt sich irgendwas, das man dann so schnell wie möglich weiterverschenkt oder zurückbringen muss. Entweder, weil es nicht passt, oder weil es einfach ein Griff ins Klo war. So war es bei mir bis jetzt jedes Jahr. Meine Familie und ich hatten uns noch nie wirklich viel zu sagen. Und jedes Weihnachten bei uns endete in einem riesigen Drama. Darauf kann ich dieses Jahr wirklich sehr gut verzichten. Ich werde mich einfach zuhause gemütlich auf meine Couch legen und Filme ansehen. Keine Weihnachtsfilme, das versteht sich ja wohl von selbst. Dazu gibt es dann Pizza aus dem Ofen. Wenn ich Glück habe, ist sie sogar nicht verbrannt. Das ist eins meiner besonderen Talente, bei mir brennt grundsätzlich immer alles an. Also wäre es für mich das perfekte Nicht Weihnachtsgeschenk, einmal im Jahr eine nicht verbrannte Pizza zu essen. 

Meiner Familie sage ich unter dem Vorwand ab, dass ich an Heiligabend arbeiten muss. So abwegig ist das bei mir in meinem Bürojob gar nicht, wenn unser Chef pfeift, haben wir alle zu springen. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Meine Mutter klingt am Telefon sogar irgendwie erleichtert, dass ich dem alljährlichen Spektakel dieses Mal nicht beiwohnen werde.  

Aber um heute Abend eine hoffentlich nicht verbrannte Pizza essen zu können, muss ich noch schnell einkaufen gehen. Warum ich damit bis zum Weihnachtstag gewartet habe, ist mir selbst ein Rätsel. Die Geschäfte sind nur bis Nachmittag geöffnet, jeder hetzt von einem Laden zum anderen, um noch letzte Besorgungen zu machen. Und diesen Menschen schließe ich mich also an und hetze zum nächsten Supermarkt. Endlich dort angekommen, ist es gar nicht so einfach, mich bis zu den Tiefkühltruhen durchzuschieben, denn der Laden ist brechend voll. Und dann kommt auch noch eine Mitarbeiterin mit einer ganzen Palette Getränkekisten um die nächste Ecke. Also müssen wir alle ausweichen. Doch wohin, wenn es so voll ist, dass man nicht einmal umfallen könnte, selbst wenn man wollte. Gerade, als sich eine winzige Lücke bildet, versuche ich mein Glück und will mich an der Palette vorbeischieben, bleibe aber mit dem Fuß hängen, pralle gegen die Mitarbeiterin. Wir können gerade noch so verhindern, dass wir fallen, indem wir uns aneinanderklammern. Dabei rutscht mir meine Tasche von der Schulter. Die liegt jetzt irgendwo auf dem Boden. Danach bücken kann ich mich nicht, weil kein Platz ist. 

Wütend schiebt mich die Mitarbeiterin von sich, und wirft mir einen Blick zu, der mir durch und durch geht. Das verwirrt mich so sehr, dass ich nicht mehr an meine Pizza denke, die ich eigentlich ja kaufen wollte. Unverrichteter Dinge lasse ich mich von den anderen Kunden nach draußen schieben. Wie in Trance laufe ich nach Hause. 

Als ich den Schlüssel aus meiner Jacke fische, fällt mir auf, dass meine Tasche noch im Laden liegt. Ich muss sie wiederbekommen. Schnell drehe ich mich um, haste zurück zum Laden. Doch dort erwartet mich nur noch eine abgesperrte Tür. Das darf doch wohl nicht wahr sein, oder? Was bitte kann heute noch alles schiefgehen? Frustriert mache ich mich wieder auf den Heimweg. In der Küche schaue ich als erstes in mein Tiefkühlfach, ob ich noch eine Pizza eingefroren habe. Doch wie soll es anders sein, ist natürlich keine mehr da. Dann muss ich mir eben etwas bestellen. Liefert heute Abend eigentlich jemand? Oder sitzen alle glücklich und zufrieden mit ihren Familien zusammen und singen Weihnachtslieder? Ich hoffe, dass wenigstens mein Lieblingsitaliener liefert. Ein schneller Blick in die App sagt mir, dass ich wenigstens damit Glück habe. Schnell bestelle ich mir für heute Abend meine Lieblingspizza und eine Flasche Rotwein. 

Bis das Essen kommt, habe ich noch genug Zeit, um gemütlich zu duschen und mich in meine Joggingklamotten zu werfen. Frisch geduscht habe ich mich gerade in meine Decke gekuschelt, als es an der Tür klingelt. Heute geht es aber schnell. Der Türöffner summt. Kurze Zeit später klopft es an meiner Wohnungstür. Doch davor steht nicht der Pizzabote, sondern die Mitarbeiterin aus dem Supermarkt. Grinsend hält sie mir meine Tasche entgegen. Perplex nehme ich sie ihr ab. Dann schiebt sie sich wie selbstverständlich an mir vorbei in meine Wohnung. Ihre Jacke hängt sie an den Haken und setzt sich auf meine Couch. Dann sieht mich erwartungsvoll an. Ich schüttle den Kopf. Vielleicht wird dieses Weihnachten nicht so schlimm, wie ich es mir noch heute Morgen vorgestellt habe. 

 

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