Das Klingeln der Maiglöckchen

Schnegg sieht den beiden hinterher, als sie im Wald verschwinden, der von der Morgensonne geflutet wird. Dass der Junge weg ist, stört Schnegg nicht. Immerhin hat er beinahe das schöne gestreifte Schneckenhaus auf seinem Rücken zertrümmert, und Schnegg gleich mit dazu.

»Hey«, sagt Tschack, Schneggs Freundin, mit langgezogenen Tönen. »Wieso klingeln Maiglöckchen nicht?«

»Keine Ahnung«, antwortet Schnegg ebenso langsam. Eine lange Weile später späht Schnegg in einen der kleinen weissen Kelche und streckt den Fühler noch ein wenig mehr, um besser sehen zu können. »Vielleicht, weil denen der Bommel fehlt?«

Tschack schnaubt unfreundlich. »Bommel?«

Schnegg verdreht die Augen, aber nicht zu weit, sonst verknoten sich die Fühler ineinander. »Na, das Ding in der Mitte, das gegen die Glockenwände schlägt. Das fehlt.«

»Hey, joa. Stimmt.« Tschacks Stimme schwankt zwischen Belustigung und Bewunderung.

Schnegg streckt sich noch ein bisschen mehr, diesmal mit dem ganzen Körper, bis sein Auge in einen Blütenkelch eintaucht. Da erklingt von überall her ein leises Klingeln, und etwas berührt sein Auge. Schnell zieht Schnegg es zurück in seinen Körper, um es zu schützen, und hätte sich am liebsten in seinem Schneckenhaus verkrochen. Nur Tschacks Lachen hält ihn davon ab.

Schnegg öffnet die Augen. Aus allen Maiglöckchenkelchen treten winzigkleine bunte Feen aus, spreizen ihre Flügel und flattern durch den sonnenbeschienen Wald. Dabei klingen ihre Flügel wie kleine Glöckchen, und ihre hellen Stimmen mischen sich mit der Stille des Waldes.

»Hm«, sagt Tschack. »Die Maiglöckchen klingeln ja.«

»Ja.« Schnegg weiss noch nicht so recht, was er davon halten soll. »Wieso hören es die Menschen dann nicht?«

»Wahrscheinlich haben sie verlernt zu hören.«